Protest wirkt

In Berlin wehren sich immer mehr Mieter*innen gegen Spekulation und drohende Verdrängung. Ob gegen Mieterhöhungen, Leerstand oder Eigenbedarfskündigung: Der Protest wird breiter und lauter. Im April 2019 gingen rund 40 000 Mieter*innen gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße und forderten eine grundlegende Kehrtwende in der Wohnungspolitik.

Der Protest der Mieter*innen zeigt Wirkung. Als erste vielversprechende Maßnahme will die rot-rot-grüne Landesregierung einen Mietendeckel in Berlin einführen.

Mietendeckel – runter mit der Miete

Mit einem Mietendeckel will Berlins Landesregierung die außer Kontrolle geratenen Mietpreise einfangen. Der Mietendeckel soll Anfang 2020 in Kraft treten und für fünf Jahre gelten. Nach den jetzigen Plänen besteht der Mietendeckel aus zwei Maßnahmen: Mietenstopp und Mietabsenkungen. Dank dem Mietenstopp dürfen in Berlin die meisten Mieten für fünf Jahren nicht mehr erhöht werden. Ob und wie viel du mit einer Mietabsenkung sparen würdest, kannst mit unserem Mietendeckelrechner herausfinden.

Bei Neuvermietungen soll nur noch die Vormiete bzw. wenn diese über der jeweiligen Mietobergrenze lag, die Mietobergrenze (je nach Baujahr unterschiedlich) verlangt werden können. Auf der folgenden Karte kannst du sehen, wie sich die Mietobergrenzen auf die Angebotslage zwischen April 2018 und Oktober 2019 . Grundlage für die Berechnungen ist der Gesetzentwurf des Mietendeckels. Klicke auf einen Stadtteil, um Mietangebote zu sehen.

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Mietobergrenzen könnten die Mieten bei Neuvermietung tatsächlich wirksam senken. Die aktuell für einen Großteil der Berliner*innen nicht mehr leistbaren Ortsteile könnten so wieder erschwinglich werden. So könnte der sozialen Spaltung entgegen gewirkt werden. Auch der im ersten Kapitel analysierte Verdrängungsdruck dürfte abnehmen, denn der Anreiz für Vermieter*innen, bestehende Verträge zwecks Mieterhöhung aufzulösen, würde in vielen Fällen entfallen.

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Niedrigere Mieten bedeuten aus der individuellen Perspektive von Mieter*innen mehr leistbare Wohnfläche. Durch die Einführung von Mietobergrenzen könnte sich ein vierköpfiger Haushalt mit durchschnittlichem Einkommen nun 103 m², statt nur 69 m² Wohnfläche leisten (vgl. Kapitel „Leistbarkeit“).

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Besonders stark würden Mietobergrenzen auf die Angebote im Altbau wirken. Für Wohnungen, die vor 1918 gebaut wurden, schätzen wir eine durchschnittliche Absenkung der Nettokaltmiete bei Neuvermietung um die Hälfte (von 13 €/m² auf 6,58 €/m²).

Auch wenn die Einführung eines Mietendeckels sicher zu einer Verschnaufpause für Mieter*innen führen würde, bleiben die angedachten Maßnahmen in ihrer Wirkung beschränkt. Sie sind teils schwierig umzusetzen und schützen nicht langfristig vor Spekulation. Vor allem die Zugangsschwierigkeiten zu Wohnraum für Benachteiligte und die undemokratischen Verwaltung des Wohnraums würden durch den Mietendeckel nicht angegangen. Eine langfristige Lösung dieser Probleme verspricht die Vergesellschaftung und Demokratisierung von Wohnungsbeständen.

Wohnungen privater Immo­bi­lien­kon­zerne ver­ge­sell­schaf­ten

Der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ möchte den Immobilienbestand von Unternehmen mit über 3 000 Wohnungen in öffentliches Eigentum überführen und demokratisch durch die Mieter*innen verwalten lassen.

Artikel 15 des Grundgesetzes ermöglicht eine Vergesellschaftung von Privateigentum im Interesse der Allgemeinheit gegen Entschädigung. Zahlreiche Gutachten bestätigen, dass das Land Berlin das Recht hat, eine solche Vergesellschaftung angesichts der aktuellen Wohnungskrise durchzuführen. Bei einer Enteignung könnten die Mietpreise wesentlich stärker gesenkt werden, als dies beim Mietendeckel vorgesehen ist. Eine solche Maßnahme würde langfristig bezahlbaren Wohnraum sichern. Darüber hinaus könnte die Wohnungsvergabe und die Häuser selbst nach den Wünschen der Mieter*innen gestaltet werden. Menschen, die auf dem privaten Wohnungsmarkt wenig Chancen haben, könnten bei der Vergabe bevorzugt werden.

Auch Kleingewerbe, Kulturräume und Kitas könnten davon profitieren. Sie spielen eine unverzichtbare soziale Rolle im Kiezleben. Bisher genießen sie jedoch keinen Mieterschutz. Durch eine Vergesellschaftung könnten auch sie vor Verdrängung geschützt werden.

Wir haben alle zwischen April 2018 und Oktober 2019 angebotenen , welche die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ vergesellschaften möchte, aus unseren Daten gefiltert. Es waren über 12 200. Hier liegen sie.

Bei einer Enteignung müssten die Großkonzerne durch das Land Berlin entschädigt werden. Damit weder Steuerzahler*innen noch die Mieter*innen für Spekulationspreise aufkommen, muss die Entschädigungssumme unterhalb des Marktpreises liegen. Eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes muss die Interessen der Allgemeinheit und der zu enteignenden Eigentümer gegeneinander abwägen.

Da dieser Artikel bislang nicht angewendet wurde, ist der politische Entscheidungsspielraum groß. Eine Mehrheit der Verfassungsrechtler*innen bestätigt, dass eine Enteignung unter Marktwert möglich ist. Damit könnte ein Entschädigungskredit durch Einnahmen aus leistbaren Mieten refinanziert werden. Nach Schätzungen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ beläuft sich die angemessene Entschädigungssumme auf 8,3 Milliarden Euro.

Diese Entschädigungssumme orientiert sich an der Leistbarkeit des Wohnraums für die Mieter*innen. Auch Menschen an der Armutsgrenze sollen nicht mehr als 30 % ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen – die für sie leistbare Nettokaltmiete wäre 3,70 €/m².

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Für die angebotenen Wohnungen der Unternehmen, welche die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ vergesellschaften möchte, haben wir die durchschnittliche Nettokaltmiete ermittelt: 10,70 €/m². Die Einführung des Mietendeckels würde die Miete hier auf durchschnittlich 6,38 €/m² senken, eine Vergesellschaftung nach leistbarer Entschädigungssumme auf sogar nur 3,70 €/m². Zur Einordnung: Selbst letzterer Wert liegt noch deutlich über der durchschnittlichen kostendeckenden Miete, die für Bau, reine Bewirtschaftung und Verwaltung dieser Wohnungsbestände nötig wäre: 2,82 €/m².